Faltenradio übertönt Philharmonie der Nationen
Flauer Beifall für Justus Frantz
Dennoch: Open Air ist kein Selbstläufer. Die teuren Eintrittskarten müssen auf der Freiluftbühne vor den langen Sitzreihen im Park auch verdient werden! Doch was sich für das Publikum zunächst noch ganz lustig anließ, blieb am Ende den rechten Ernst schuldig. Der Bus von Justus Frantz mit seiner Philharmonie der Nationen war auf der Autobahn im Stau stecken geblieben: Zum Konzertbeginn waren die Musiker gerade mal so weit, dass sie im Reisezivil auf der Bühne den Soundcheck für die Tontechnik absolvieren konnten. Vor Publikum. Auf die Schnelle peitschte der Dirigent Tschaikowskys Romeo und Julia Ouvertüre mit ungestimmten Instrumenten einmal durch, und ebenso schnell auch Rossinis Introduktion und Variationen für Klarinette und Orchester mit dem Solisten Matthias Schorn, dem Preisträger in Residence der Festspiele. Die richtige Aufführung danach unterschied sich davon eigentlich nur durch schwarze Konzertkleidung und gestimmte Instrumente. Zwar spielten die Musiker technisch versiert und mit großem Engagement, aber unexakt und unpräzise. Kein Wunder: am Abend zuvor in Mainz ein völlig anderes Programm, gestern in Norderstedt wieder ein anderes. Vom Programm in Klütz steht überhaupt nur Romeo und Julia auf dem gegenwärtigen Tourneeprogramm des Orchesters. Es war nicht zu überhören, dass Justus Frantz auch das Capriccio italien und Mendelssohns 4. Sinfonie, die „Italienische“, wenigstens einmal hätte durchspielen müssen, damit allen Musikern klar ist, wo er lang will. Doch Frantz ist ein Blender, er verstieg sich mit den Tempi der Finali in reinste Raserei, die den Orchestersatz total durcheinander wirbelte. Und erntete damit Bravo-Rufe, aber auch Gelächter. Ja, das Publikum ist zu Recht anspruchsvoll, und es ließ kaum mehr als flauen Beifall heraus. Wer jedoch das Konzert nachsichtig überdauerte, bekam mit dem anschließenden Night-Act von Matthias Schorn und seinem Ensemble Faltenradio vollen Ersatz. Vier Musiker, die sich im Spiel verschiedener Klarinetteninstrumente und der Steirischen Harmonika (Faltenradio genannt) abwechselten, zogen mit Klezmer, österreichischem Ländler, Song und Schlager, aber auch mit Klassikbearbeitungen und einem Satz aus Friedrich Guldas Cellokonzert die Zuhörer ganz in ihren Bann. Jedes Stück ein Unikat, jedes Unikat geschliffen bis ins Feinste, voller klanglicher Raffinesse und rhythmischer Brillanz. Da jubelte das Publikum, schrie nach Zugaben, und konnte sich zum abschließenden Höhenfeuerwerk erfüllt zurücklehnen.