Live-Musik ist doch besser als „Streaming-Konzerte“

Mit lautem „Tack, Tack, Tack“ hat sich das in der Mitte der Bühne aufgestellte Metronom bewegt. Nacheinander kamen die vier Musiker mit Klarinetten und Harmonika auf die Bühne und entwickelten nach meditativen Soli ein verwobenes Stimmengeflecht. Wobei das Metronom den Puls unablässig vorgab. Ohne Vorwarnung folgte ein Marsch in bester österreichischer Wirtshausmusik-Tradition. Damit war der Rahmen des neuen Faltenradio-Programms „Landflucht“ abgesteckt.

„Ten Children“, das erste Stück, stammt vom amerikanischen Bass-Klarinettisten Michael Lowenstern, den „Links, Rechts-Marsch“ hat der 1989 in Österreich geborene Anton Gmachl jun. komponiert. Alexander Maurer, Alexander Neubauer, Stefan Prommegger und Matthias Schorn sind in der ländlichen Blasmusik groß geworden und zum Studium in die Stadt gegangen. In typischer Faltenradio-Tradition erlebten die Zuhörer eine faszinierende musikalische Land- und Stadtflucht-Reise mit großen Widersprüchen, zum Nachdenken anregend, kompromisslos die eigenen Grenzen auslotend, auf höchstem musikalischem Niveau mit virtuosen Glanzleistungen.

Die erste Station der heute als Philharmoniker, Symphoniker, Dozenten und Professoren tätigen Musiker war die Stadt Salzburg mit ihrem berühmtesten Sohn Wolfgang Amadeus Mozart. Das „Adagio in F-Dur“, mit B-, Alt-, und Bass-Klarinetten farbenreich besetzt, war ein Musterbeispiel an homogenem Quartett-Klang. Das Werk „2000“ führte in die Welt des 1960 geborenen italienischen Jazz-Gitarristen Battista Lena. Über starke, rhythmisch prägnante Unisono-Patterns konnte Alexander Neubauer seine sehnsuchtsvollen Melodien mit wechselndem Ausdruck legen. Die kalte Dusche gab es mit „Ich hab’s wissen wollen“ nach einem Lied von Ludwig Hirsch. Mit großer Bühnenpräsenz, ausdrucksstarker Mimik, getragen von einer melancholischen Begleitung seiner Partner, präsentierte Matthias Schorn den sarkastischen Text des österreichischen Liedermachers.

Beeindruckend die Interpretation „O Magnum Mysterium“ des amerikanischen Vokal-Komponisten Morten Lauridsen. Die Bearbeitung der vierstimmigen Motette für Harmonika und Klarinetten lebte in großen, fließenden Bögen im perfekten Satzklang. Nach behutsamer Entwicklung zu orchestraler, strahlender Klangfülle verschwand das „Große Geheimnis“ im gehauchten Pianissimo. „Dafür hat uns der Herr Pfarrer für die Ausbildung in die Stadt geschickt.“ Auf die Gesangseinlage „Gut wieder hier zu sein“ zusammen mit dem Publikum, konnte jeder der vier Musiker, im Ständchen für Friedrich Guldas dritten Sohn Rico, seine ausgefeilte Improvisationskunst unter Beweis stellen. In stilistischer Perfektion gelang der Ausflug nach Kuba in den Buena Vista Social Club. Gefühlvolle, sehnsuchtsvolle Rubati, ausdrucksstarke Soli und vorwärtstreibende Rhythmik erweckten „Danzón“ von Paquito D’Rivera zu lateinamerikanischer Lebensfreude.

Nach dem Schluss mit der „Träumerei“ aus den Kinderszenen von Robert Schumann in intensivem, romantisch ausgefeiltem Zusammenspiel wollte der begeisterte Applaus des Publikums nicht enden. Dafür bedankten sich die Musiker mit einem Feuerwerk an Skalen und Improvisationen, bei vollem Körpereinsatz und extremer Tonhöhe, im Stil des jüdischen Klezmer Nova.