Italien-Sehnsucht mit Wagner-Pomp und Faltenradio – Philharmonie der Nationen klangschön und Matthias Schorn berückend.
Bereits zum vierten Mal in Folge gastierte die Philharmonie der Nationen, ein Mainstream-Sinfonieorchester mit aus- gesuchten Musikern aus mehr als 40 Nationen, bei den Festspielen Mecklenburg-Vorpommern. Ihr Chefdirigent ist Justus Frantz (69), einer der Gründungsväter der Festspiele Mecklenburg-Vorpommern und Meister in der effektsicheren Bedienung des Geschmacks eines breiten Publikums. „Sehnsucht nach Italien“ hatte er den über 3000 Besuchern des Open Air im Park von Schloss Bothmer (bei Klütz) versprochen. Aber undeutlich blieb, ob diese erweckt oder erfüllt werden sollte, sowohl im Programm wie in seiner musikalischen Ausführung. Das Programm wies mit Rossini nur einen italienischen Komponisten auf, den Rest der Italiensehnsucht steuerten Tschaikowski mit seiner tragisch-dramatischen „Romeo und Julia“-Ouvertüre, die mit Italien nur peripher zu tun hat, und mit seinem prachtvollen „Capriccio Italien“ bei, sowie Mendelssohn mit seiner zauberhaften dritten Sinfonie, der „Italienischen“ – und als heftig verlangte Zugabe ausgerechnet Wagners pompöse Rienzi-Ouvertüre, die mit Italien fast nichts zu tun hat. Gleichviel, es war gute, wirkungsvolle Musik. Von der Philharmonie unter Frantz opulent musiziert, nicht immer in stringenter Dramaturgie, aber klangschön, gleichsam im ausgebreiteten farbigen Cinemascope-Klang, mit sorgenfreier Leichtigkeit bei Mendelssohns Sinfonie, dessen berühmten Schlusssatz, den Saltarello, sie so schnell spielten, dass sie keine Zeit mehr hatten, wirklich feurig zu sein. Am feinsten war die Italiensehnsucht zu spüren bei Matthias Schorn, der Rossinis „Thema und Variationen für Klarinette und Orchester“ in melodischer Keckheit und Biegsamkeit spielte, mit samte- nem Schmelz, mit brillanten Läufen und rasanten Registerwechseln und dabei immer in berückendem Klang. Bevor das abschließende Feuer- werk in den Himmel stieg, gab es noch einen überraschenden Absacker: Das vierköpfige „Faltenradio Weltensemble“ von Matthias Schorn gab „Musik aus allen Himmelsrichtungen“, arrangiert für Klarinetten und Harmonika (eben dem „Faltenradio“), humorvoll und artifiziell – und Schorn ließ sei- ne Klarinette kichern und schluchzen; das hatte vielleicht mehr Authentizität, wenn auch keine italienische, als manches vorher.