Zu Recht ausverkauft
Ungewöhnlich, abwechslungsreich, besonders, musikantisch, begeisternd: So ungefähr müsste ein Bericht über ein Konzert der Gruppe Faltenradio beginnen, und deshalb beginnt dieser Bericht über das Schrobenhausener Pavillonkonzert von Faltenradio auch genau so.
Nein, es ist keine Boygroup, die sich im untergehakten Verbeugen auf der Bühne des Musikschulpavillons präsentiert; vielmehr sind es vier klassische Musiker, die es sich erfolgreich zum Ziel gesetzt haben, auf das Eindrucksvollste zu belegen, dass Musik keine Grenzen kennt; ebensowenig wie die Musizierfreude der drei Klarinettisten Matthias Schorn, Alexander Neubauer und Stefan Prommegger mit Alexander Maurer an der Steirischen Harmonika (vulgo: Faltenradio), die der Gruppe ihren ironischen Namen gibt. Das Programm des Abends trägt den Namen „Respekt“, was nun wiederum gar nicht ironisch, sondern ganz ernst gemeint ist. Die für Musiker wichtige aufrechte Haltung möchte Faltenradio dem Publikum auch inhaltlich vermitteln, durch nachdenklich machende präzis-knappe Zwischentexte wie (auf anderer Ebene) durch die Programmfolge. Mitreißend fängt es bereits an, nämlich mit der Ouvertüre zu Leonard Bernsteins Musical „Candide“, auf der Suche nach der „besten aller möglichen Welten“. Geht denn das mit nur vier Mann statt vollem Symphonieorchester? Jawohl, das geht, aber nur mit solchen vieren, die sich im Zusammenspiel auf so bruchlose Übergänge, auf so feine Abstufungen, auf ein so delikates Piano und dann wieder ein so rasend-exaktes Davonstürmen verstehen.
Nicht weniger eindrucksvoll das verschlungen dahineilende Schlusspresto aus dem späten G-Dur-Flötenquartett von Carl Philipp Emanuel Bach, das aus dem Faltenradio in größtmöglicher Prägnanz und Vitalität ertönt; dazwischen immer wieder ein Stück Volksmusik, ein Boarischer oder ein Steirer, mit unverminderter Perfektion und Musikalität gespielt, oder für das Ensemble entstandene jazzige Originalwerke wie Mondor von Georg Breinschmid. Bevor der Abend sich zum behaglichen Wohlfühlprogramm auswachsen könnte, sorgt Konstantin Weckers „D’Zigeiner san kumma – und de mach ma heit dod“ für Beklemmung im Publikum, das mit einem Harmonika-Solo von und mit Alexander Maurer nachdenklich in die Pause entlassen wird. Crossover und Stilvielfalt auf gleichbleibend hohem Niveau auch im zweiten Teil: Dabei ist Faltenradio für den Kunstmusik-Tango Fuga y Misterio aus Astor Piazzollas Tango-Oper „Marià de Buenos Aires“ genauso zu haben wie für einen „musikalischen Spaß“, der Tonmaterial der Neuen Deutschen Welle in die New Yorker Bronx versetzt und wohl am besten als eine klanggewaltige Studie in Akkordarbeit für das tiefe Holz (zwei Bassklarinetten und ein Bassetthorn) umschrieben wäre. Das Ganze noch versehen mit ungewohntem Verfremdungseffekt, wenn ein scheinbarer Stromausfall die Zuschauer plötzlich nur mehr zu Zuhörern macht, und eine pfiffige Zugabe mit Matthias Schorn, der in bester Falco-Manier „Rock me, Amadeus“ sprechsingt.
Beeindruckend ist neben dem virtuosen Können die grenzenlose Musizierfreude der vier Musiker, die in anscheinend sämtlichen Musikgenres gleichermaßen stilsicher zu Hause sind. Nach einer Oberkrainer-Nummer zeigt Faltenradio am „Ständchen“ aus dem Schwanengesang, wie leise und verwehend-zart Schuberts Lieder flehen können. Beeindruckend und höchst berührend, doch nicht verwunderlich – Neubauer ist Klarinettist der Wiener Symphoniker, Schorn ist der Soloklarinettist der Wiener Philharmoniker. Nicht nachlassende Begeisterung bereits nach der ersten Nummer im zu Recht ausverkauften Saal – viel Respekt für und vor „Respekt“!